Wechselbezügliche Verfügungen OLG München: Gemeinschaftliches Testament zu Gunsten der Patenkinder auch nach dem Tod eines Ehegatten bindend
Wechselbezügliche Verfügungen im gemeinschaftlichen Testament sind eine wichtige rechtliche Gestaltungsmöglichkeit für Ehegatten oder eingetragene Lebenspartner, die ihren Nachlass regeln möchten. Besonders entscheidend ist die starke Bindungswirkung dieser Verfügungen: Nachdem ein Ehegatte verstorben ist, kann der überlebende Partner die getroffenen Vereinbarungen grundsätzlich nicht mehr einseitig ändern oder widerrufen. Schwierigkeiten können sich jedoch bei der Beantwortung der Frage ergeben, ob überhaupt wechselbezügliche Verfügungen vorliegen. Damit musste sich auch das OLG München in einer aktuellen Entscheidung auseinandersetzen (Beschluss vom 30.01.2024 – 33 Wx 191/23).
Was ist passiert?
Das kinderlose Ehepaar W hatte sich 2001 in einem gemeinschaftlichen notariellen Testament gegenseitig als Alleinerben eingesetzt. Nach dem Tod beider sollten die zwei Patenkinder des Paares als „Schlusserben“ jeweils die Hälfte des Nachlasses erhalten: der Neffe der Ehefrau und die Großnichte des Ehemannes. Frau W starb 2016, Herr W 2021.
Herr W hatte 2020 noch einmal geheiratet und ein neues Testament zu Gunsten der zweiten Ehefrau verfasst: Sie sollte nun Alleinerbin werden. Nach seinem Tod beantragten die Patenkinder mit der Testamentsurkunde von 2001 einen Erbschein zu je 50 Prozent. Dem Antrag widersprach die Witwe: Dass im gemeinschaftlichen Testament mit Ehefrau Nr. 1 die Patenkinder als Schlusserben eingesetzt wurden, sei nicht bindend, da es sich um keine wechselbezügliche Verfügungen handele.
Wechselbezügliche Verfügungen
Wechselbezügliche Verfügungen (§ 2270 BGB) sind ein zentrales Element des gemeinschaftlichen Testaments (§ 2267 BGB), das häufig von Ehegatten oder eingetragenen Lebenspartnern errichtet wird. Sie beschreiben Verfügungen von Todes wegen, die so eng miteinander verknüpft sind, dass die eine ohne die andere nicht getroffen worden wäre. Mit anderen Worten: Die Verfügung des einen Ehegatten ist in Abhängigkeit von der Verfügung des anderen getroffen worden.
Ein klassisches Beispiel ist das sogenannte Berliner Testament , bei dem sich Ehegatten gegenseitig als Alleinerben einsetzen und bestimmen, dass nach dem Tod des Letztversterbenden das Vermögen an die gemeinsamen Kinder fällt. Hier ist die Erbeinsetzung des überlebenden Ehegatten meist wechselbezüglich mit der Schlusserbeneinsetzung der Kinder verknüpft.
Wechselbezügliche Verfügungen können nach dem Tod eines Ehegatten nur noch unter strengen Voraussetzungen widerrufen werden (§ 2271 BGB). Solange beide Ehegatten leben, kann jeder seine wechselbezüglichen Verfügungen durch eine notariell beurkundete Erklärung widerrufen. Nach dem Tod des erstversterbenden Ehegatten ist ein Widerruf jedoch ausgeschlossen – es sei denn, der Überlebende schlägt das Erbe aus. Dies schützt das Vertrauen des verstorbenen Partners in die getroffenen Vereinbarungen.
In der Praxis kann es oft schwierig sein zu bestimmen, ob eine Verfügung tatsächlich wechselbezüglich ist. Gem. § 2270 Abs. 2 BGB wird im Zweifel vermutet, dass Verfügungen wechselbezüglich sind, wenn sich die Ehegatten gegenseitig bedenken oder wenn dem einen Ehegatten von dem anderen eine Zuwendung gemacht und für den Fall des Überlebens des Bedachten eine Verfügung zugunsten einer Person getroffen wird, die mit dem anderen Ehegatten verwandt ist oder ihm sonst nahe steht.
Entscheidung des OLG München
Das Oberlandesgericht (OLG) München musste daher prüfen, ob die Erbeinsetzung der Patenkinder „wechselbezüglich“ und damit rechtsverbindlich sein sollte (33 Wx 191/23). Das OLG bejahte dies bereits aufgrund des Wortlauts des Testaments. Da sei von „unseren“ Patenkindern die Rede, ohne den Neffen der Tante oder die Großnichte dem Großonkel zuzuordnen. Offenbar fühlten sich beide Partner beiden Patenkindern sehr verbunden.
Es habe 2001 dem übereinstimmenden Willen der Ehegatten entsprochen, die Patenkinder gemeinsam als Schlusserben einzusetzen. Zudem begrenze das gemeinschaftliche Testament die Möglichkeit für den überlebenden Partner, die Erbeinsetzung zu ändern, auch explizit. Denn da stehe zusätzlich: Sollten der Neffe oder die Großnichte im Erbfall schon verstorben sein, seien deren Geschwister die Ersatzerben.
Nach dem Willen des Ehepaares W sollten also auf jeden Fall die Nachkommen der jeweiligen Geschwister (= Geschwister der Testierenden) exakt die Hälfte des Nachlasses bekommen. Diese Regelung binde den länger lebenden Partner. Da ihr das 2020 verfasste Testament des Erblassers W widerspreche, sei dieses Testament unwirksam.
Quelle: Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 30.01.2024 – 33 Wx 191/23
- Von Marius Pflaum,
DIRO AG